Zinsen in Zeiten von COVID-19 — max 4 % p.a. für bestimmte Forderungen
Der gesetzliche und vertragliche Anspruch auf Zinsen bei Verzug für bestimmte Forderungen wird eingeschränkt.
Die Bestimmung soll lauten:
Beschränkung von Verzugszinsen und Ausschluss von Inkassokosten
§ 3. Wenn bei einem vor dem 1. April 2020 eingegangenen Vertragsverhältnis der Schuldner eine Zahlung, die im Zeitraum vom 1. April 2020 bis zum 30. Juni 2020 fällig wird, nicht oder nicht vollständig entrichtet, weil er als Folge der COVID-19-Pandemie in seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt ist, muss er für den Zahlungsrückstand ungeachtet abweichender vertraglicher Vereinbarungen höchstens die gesetzlichen Zinsen (§ 1000 Abs. 1 ABGB) zahlen und ist nicht verpflichtet, die Kosten von außergerichtlichen Betreibungs- oder Einbringungsmaßnahmen zu ersetzen.
Erl Bemerkungen:
1. Die COVID-19-Pandemie und die ihretwegen vorgenommenen Beschränkungen des öffentlichen Lebens haben auch massive Auswirkungen auf Vertragsverhältnisse. Sie werfen zahlreiche Fragen im Zusammenhang mit den jeweiligen Rechten und Pflichten der Vertragsparteien sowie mit der Abwicklung und der Beendigung von Vertragsverhältnissen auf.
Die meisten dieser Fragen können durchaus mit dem Instrumentarium des geltenden Zivilrechts gelöst werden. Denn es gibt hier Rechtsfiguren, die auf diese Pandemie und ihre Folgen angewendet werden können, wie die „höhere Gewalt“ oder den „außerordentlichen Zufall“. Gesetzesregelungen oder Judikaturlinien, die an diese Rechtsfiguren anknüpfen, geben der Praxis taugliche Mechanismen zur Lösung der angesprochenen Fragen an die Hand. […]
2. In manchen Bereichen reicht das geltende Recht jedoch nicht vollständig aus, um die im Gefolge der Pandemie aufgetretenen Problemlagen zu lösen. Hier ist daher ein punktuelles und zum größten Teil nur temporäres Einschreiten des Gesetzgebers erforderlich.
Anwendungsbereich:
Es muss sich um einen sog. Altvertrag handeln.
Der Vertrag muss vor dem 1. April 2020 abgeschlossen worden sein; nach dem 1. April 2020 abgeschlossene Verträge sind von der Sonderregelung nicht betroffen, da die Parteien schon Kenntnis von der Krise haben, und daher Zahlungsverpflichtungen bewusst eingehen.
Jeder Vertrag, der zu einer Zahlungsverpflichtung führt, ist von dieser Regelung betroffen, dh ein Kaufvertrag, ein Lizenzvertrag für Software, der Handy-Nutzungsvertrag, ein Mietvertrag über Wohnungen (Achtung dazu gibt es eine Sonderregelung) oder Häuser, ein Abo für Pay-TV, ein Zeitungs- oder Zeitschriften-Abo, oder auch ein Vertrag bei einer Partnervermittlung oder auch ein Vertrag mit einem Mobilfunkbetreiber oder Gas- oder Stromanbieter.
Schuldnerverzug
Es muss Schuldnerverzug eintreten, dh der Schuldner bezahlt die fällig Forderung nicht oder nicht vollständig zum Fälligkeitszeitpunkt.
Mit Eintritt der Fälligkeit schuldet der Schuldner Zinsen. Diese werden – wenn er an der Zahlung durch eine erhebliche wirtschaftliche Beeinträchtigung aufgrund der COVID-19-Krise gehindert ist – „herabgesetzt“. Nach Ansicht des Gesetzgebers ist dieser Verzug „unverschuldet“ und der Zahlungspflichtige schuldet daher keinen Schadenersatz.
Welche Forderungen sind betroffen?
Wenn die Zahlungspflicht nach dem 1. April 2020 bis zum 30. Juni 2020 fällig wird, dann dürfen nur 4 % (gesetzliche) Zinsen p.a. verlangt werden, auch wenn höhere Zinsen zwischen den Parteien vereinbart sind (zB in AGB). Höhere vereinbarte Zinsen oder auch die höheren gesetzlichen Zinsen bei Unternehmern iSd UGB (9,2% über dem Basiszinssatz p.a.) können nicht gefordert werden.
„Die von der Corona-Pandemie betroffenen Schuldner sollen aber vor der Verpflichtung zur Zahlung allzu hoher Verzugszinsen bewahrt werden. Deshalb ordnet § 3 an, dass der Schuldner für einen Zahlungsrückstand aus diesem „sensiblen“ Zeitraum (2. Quartal 2020) jedenfalls nur die gesetzlichen Zinsen von 4 % zu zahlen hat.“ (Aus den Erläuternden Bemerkungen)
Kann der Vertrag aus wichtigem Grund aufgelöst werden?
Der Schuldner befindet sich in Verzug, wenn er seiner Zahlungspflicht nicht rechtzeitig und vollständig nachkommt. Auch wenn den Schuldner kein Verschulden daran trifft, dass er nicht bezahlt, zB weil er nicht bezahlen kann, hat er seine Leistungspflicht nicht erfüllt, und er ist in Verzug.
Bereits dieser „objektive Verzug“ (dh Verzug ohne Verschulden) gibt dem Gläubiger ein Wahlrecht. Der Gläubiger kann am Vertrag festhalten und
- die Erfüllung (= Zahlung zzgl. der 4 % Zinsen p.a. ) begehren, oder
- er kann eine (angemessene) Nachfrist setzen, und vom Vertrag zurücktreten.
Ein Rücktritt von einem Vertrag wird nur dann Sinn machen, wenn der Gläubiger noch eine Leistung zu erbringen hat, zB weil es sich um ein Dauerschuldverhältnis handelt, oder weil er selbst noch nicht die gesamte Leistungspflicht erfüllt hat, oder es sich um eine Anzahlung handelt.
Bitte beachten Sie, dass es für Mietverträge von Wohnungen und auch für Kreditverträge Sonderregelungen gibt, die ebenfalls mit dem 3. COVID-19 JustizbegleitG in Kraft treten, und auch rückwirkend mit 1.4.2020 gelten.
Hat jedoch der Gläubiger seine Leistungspflicht zur Gänze erfüllt, zB bei einem Kaufvertrag, dann macht eine Aufforderung zur Zahlung unter Nachfristsetzung mit Rücktrittsdrohung keinen Sinn, außer die Ware wurde unter Eigentumsvorbehalt geliefert, und der Gläubiger hat die Möglichkeit, die (gebrauchte) Ware einem zahlungskräftigen anderen Kunden zu verkaufen, und Sie gehen davon aus, dass der Schuldner die Ware auch zurückgibt.
Wie sieht eine derartige Aufforderung aus:
Ich mache Sie darauf aufmerksam, dass die Zahlungspflicht am … zu erfüllen war. Sie befinden sich in Verzug. Ich fordere Sie auf, die Zahlung vollständig bis zum … [angemessene Frist einsetzen] zu leisten, wobei der Geldeingang auf meinem Konto maßgebend ist. Wenn Sie die Zahlung nicht rechtzeitig oder nicht vollständig bis zu diesem Zeitpunkt leisten, trete ich bereits jetzt vom Vertrag zurück.
Es ist auch zulässig, dass 4 % Zinsen p.a. verlangt werden.
Zeitliche Anwendbarkeit:
Das Gesetz und die erläuternden Bemerkungen dazu:
Inkrafttreten und Außerkrafttreten
§ 17. (1) Dieses Bundesgesetz tritt, sofern in den folgenden Absätzen nicht anderes angeordnet ist, mit Ablauf des Tages der Kundmachung in Kraft und mit Ablauf des 31. Dezember 2020 außer Kraft.
(2) Die §§ 1 bis 4 treten mit 1. April 2020 in Kraft. Die §§ 1, 3 und 4 treten mit Ablauf des 30. Juni 2022 außer Kraft. Für § 2 gilt die Regelung des Abs. 1 über das Außerkrafttreten nicht.
(3) Ungeachtet des Abs. 1 über das Außerkrafttreten ist § 11 anzuwenden, wenn der Antrag auf Stundung vor dem Außerkrafttreten bei Gericht eingelangt ist.
Erläuternde Bemerkungen
3. Nur zur Vermeidung von Missverständnissen sei klargestellt, dass der in § 3 genannte Zeitraum vom 1. April bis 30. Juni 2020 nur die tatbestandliche Anknüpfung betrifft, also nur jenen Zeitraum umschreibt, in dem die fragliche Zahlung fällig geworden sein muss, um die Anwendbarkeit des § 3 auszulösen. Die Rechtsfolge reicht hingegen selbstverständlich über diesen Zeitraum weit hinaus, nämlich bis zum Ablauf des ersten Halbjahres 2022; dies ergibt sich aus § 17 Abs. 2 zweiter Satz, wonach § 3 mit Ablauf des 30. Juni 2022 wieder außer Kraft tritt.
Das bedeutet, dass bis dahin für einen Zahlungsrückstand maximal 4 % Verzugszinsen anfallen […].
Wenn allerdings der Zahlungsrückstand über die Jahresmitte 2022 hinaus besteht, kann der Gläubiger ab 1. Juli 2022 dafür auch allenfalls vereinbarte Verzugszinsen in einem vertraglich über 4 % festgesetzten Ausmaß verlangen […].
Es betrifft nur Forderungen, die zwischen 1. April 2020 und 30.6.2020 fällig werden.
Forderungen, die schon fällig sind, oder die ab 1. Juli 2020 fällig werden (sofern die Frist nicht erweitert wird), sind von der „Zinsreduktion“ nicht mitumfasst!
Wird die Forderung geltend gemacht, dann gilt dies bis zum 30.6.2022.
Wird die Forderung, die zwischen 1. April 2020 und 30.6.2020 oder einer verlängerten Frist fällig wurde, bezahlt, dann schuldet der Schuldner nur 4 % Zinsen für diese Forderungen
In den Erläuternden Bemerkungen findet sich dazu folgende Aussage:
Wenn allerdings der Zahlungsrückstand über die Jahresmitte 2022 hinaus besteht, kann der Gläubiger ab 1. Juli 2022 dafür auch allenfalls vereinbarte Verzugszinsen in einem vertraglich über 4 % festgesetzten Ausmaß verlangen […]
Wenn dieser Termin, dh der 30.6.2022 verstrichen ist, lebt der ursprünglich vereinbarte Zinssatz oder auch der unternehmerische Zinssatz wieder auf.
Klagbarkeit der Forderungen ist nicht beschränkt.
Die Forderungen, die im besagten Zeitraum fällig werden, sind – mit den 4 % Zinsen ab Fälligkeit – auch „klagbar“. Dies ist anders als bei Mietverträgen für Wohnungen (siehe Blogbeitrag), bei denen die Mietzinszahlungen für den Zeitraum 1. April 2020 bis 30. Juni 2020 bis zum 31.12.2020 nicht eingeklagt werden können. Die ErlBem dazu:
Der Gläubiger kann deshalb den Schuldner sogleich auf Zahlung klagen und bei Obsiegen – vorbehaltlich der vom Erfolgsprinzip abweichenden Kostenersatzregelungen der ZPO – auch Prozesskostenersatz verlangen.
Auch ist die unterliegende Partei verpflichtet, dem obsiegenden Kläger die Prozesskosten zu ersetzen; der Ausschluss von Inkassokosten bezieht sich nur auf „außergerichtliche“ Betreibungskosten.
Hinterlasse einen Kommentar
An der Diskussion beteiligen?Hinterlasse uns deinen Kommentar!