COVID-19 und (gerichtliche) Fristen und Verhandlungstermine
Auswirkungen des Corona-Virus auf den Gerichtsbetrieb (Zivilgerichte und Strafgerichte):
Allgemeines:
Grundsätzlich bleibt der Gerichtsbetrieb auch während der Einschränungen des gesellschaftlichen und beruflichen Lebens (zB Schließung von Ladengeschäften und Lokalen) aufrecht, mit Ausnahme einiger Einschränkungen.
Die Gerichte werden nur solche dringenden Verhandlungen und Amtshandlungen durchführen, in denen über Grundrechtseingriffe zu entscheiden ist und bei deren Ausfall ein unwiederbringlicher Schaden droht. In unserer Kanzlei wurden von den Gerichten alle (Zivil-)Verhandlungen abgesagt oder verlegt, zB auf Juni 2020.
Nicht dringend behandelt werden daher zB Klagen wegen Geldforderungen (Mahnklagen), und daher werden derzeit alle diesbezüglichen Termine von den Gerichten abgesagt oder verlegt.
Dringende Angelegenheiten sind zB: einstweilige Verfügungen und einstweilige Vorkehrungen in Besitzstörungssachen in dringenden Fällen, vorläufige Maßnahmen in Obsorge- und Kontaktrechtsverfahren, , dringende Unterhaltsvorschussangelegenheiten, dringende Maßnahmen im Exekutionsvollzug, Eröffnung von Insolvenzen oder Haftsachen (in Strafverfahren)
Gerichtsbetrieb aktuell (Stand 20.03.2020):
Das bedeutet für unsere Mandanten, dass Klagen und Mahnklagen (zur Einforderung offener Geldforderunge) grundsätzlich ohne Einschränkungen bei Gericht überreicht werden können und auch dort behandelt werden. Die Einbringung erfolgt „vollelektronisch“ über den Elektronischen Rechtsverkehr (ERV). Auch die Zustellung von gerichtlichen Entscheidungen an Rechtsanwälte erfolgt in dieser Form, wie auch die gesamte Kommunikation mit dem Gericht, sofern diese „schriftlich“ erfolgt.
Bei Mahnklagen wird vom Gericht ohnehin ohne näherer Prüfung und insbesondere ohne Abhaltung einer Tagsatzung und Beweisaufnahmen ein Zahlungsbefehl erlassen. Inwieweit die Erlassung von Zahlungsbefehlen derzeit stattfindet ist noch nicht klar, da die Angaben im Antrag (der „Klage“) von den Rechtspflegern auf Plausibilität geprüft werden. Der Beklagte hat dann die Möglichkeit, gegen diesen Zahlungsbefehl (nach Zustellung) binnen vier Wochen Einspruch zu erheben. Erst dann wird die Forderung inhaltlich vom Gericht näher geprüft und eine Verhandlung anberaumt.
Eine Verhandlung wird zwar aufgrund der aktuellen Situation nicht anberaumt werden können, oder findet dieses zB erst später statt, und nicht unmittelbar nach Erhebung des Einspruches.
Grundsätzlich kann es aus derzeitiger Sicht (siehe aber unten!) für unsere Mandanten durchaus ratsam sein, zu klagen, um eine allfällig drohende Verjährung zu unterbrechen. Auch ist davon auszugehen, dass der gerichtliche Titel früher erwirkt wird, als wenn nun mit einer gerichtlichen Klage bis nach Ende der behördlichen Maßnahmen zugewartet wird.
Auch Exekutionsanträge können noch wie üblich bei Gericht (nach Vorliegen eines gerichtlichen Titels) eingebracht werden. Der Gerichtsvollzug wird aber bis auf Weiteres nur in Fällen durchgeführt, in denen sonst ein unwiederbringlicher Schaden droht, daher ist wohl davon auszugehen, dass Einbringungsmaßnahmen, die durch den Gerichtsvollzieher erfolgen, durch die derzeitige Situation verzögert werden.
Wenn jedoch mit der Exekutionsführung gleichzeitig auch ein Antrag auf Kontopfändung verbunden ist, und zum Zeitpunkt der Zustellung ein Guthaben auf dem Konto erliegt, dann ist dieses bereits mit Zustellung der Exekutionsbewilligung gepfändet, und nicht erst durch einen persönlichen Akt des Gerichtsvollziehers. Die Bank darf nicht mehr an den Schuldner zahlen, dh diesen nicht mehr über das Guthaben disponieren lassen.
Das gleiche gilt für eine Gehaltspfändung; auch hier ist der Zustellzeitpunkt für die Pfündung magebend und nicht eine etwaige Rechtskraft der Exekutionsbewilligung.
Die Abteilungen der Gerichte sind aufgrund Vorsichtsmaßnahmen nicht voll besetzt, es kann daher naturgemäß zu Wartezeiten und Verzögerungen in den Entscheidungen (Bewilligungen von Anträgen auf Erlassung eines Zahlungsbefehls oder auch Exekutionsanträgen) kommen.
Geplante Änderungen durch das 2.COVID-19-Gesetzespaket:
a) gerichtliche Fristen
Am 19.03.2020 haben aber die Regierungsparteien ein umfangreiches 2.COVID-19-Gesetzespaket im Parlament eingebracht. Die Beschlussfassung im Nationalrat ist für den 20.03.2020, jene im Bundesrat für den 21.03.2020 vorgesehen. Das sind die geplanten Änderungen:
Bei bereits anhängigen gerichtlichen Verfahren werden nun grundsätzlich alle verfahrensrechtlichen Fristen bis zum Ablauf des 30. April 2020 unterbrochen.
Damit werden in bürgerlichen Rechtssachen (Zivilprozesse, Außerstreitverfahren, Grundbuchs- und Firmenbuchverfahren, Exekutionsverfahren, Insolvenzverfahren) – abgesehen von den im Gesetz angeführten Ausnahmen – alle prozessualen Fristen (sowohl gesetzliche als auch richterliche Fristen) unterbrochen.
Diese Fristen beginnen mit 1. Mai 2020 neu zu laufen.
b) Verjährung „hinausgeschoben“
Außerdem wird die Zeit vom Inkrafttreten des geplanten Bundesgesetzes bis zum Ablauf des 30. April 2020 in die Zeit, in der bei einem Gericht eine Klage oder ein Antrag zu erheben oder eine Erklärung abzugeben ist, nicht eingerechnet.
Dies betrifft etwa Verjährungsfristen, die Frist für Besitzstörungsklagen nach § 454 ZPO u.a..
Achtung:
dies betrifft unseres Erachtens nur gesetzliche Fristen, nicht aber vereinbarte Verjährungsfristen. Diese sind nach wie vor konkret zu berechnen, da ansonsten nun gesetzlich in die Privatautonomie der Parteien eingegriffen werden würde.
FAZIT
Was bedeutet dies für „Zivilverfahren“, dh Klagen / Mahnklagen auf Geldleistungen ganz konkret, wenn das so beschlossen wird:
- Wenn dem Schuldner ein Zahlungsbefehl (nach Inkrafttreten des Gesetzes) zugestellt wird, dann hat dieser vier Wochen ab dem 1. Mai 2020 Zeit, einen Einspruch zu erheben, und die Frist endet daher mit 29. Mai 2020, auch wenn der Zahlungsbefehl zB am 17.4.2020 zugestellt wird.
- Wurde dem Schuldner der Zahlungsbefehl vor dem Inkrafttreten zugestellt, dann kann die Frist für die Erhebung des Einspruches nicht „ablaufen“, dh die Frist läuft nicht ab und beginnt ab 01.05.2020 wieder neu zu laufen.
Bsp.: Wenn dem Schuldner ein Zahlungsbefehl bereits vor Inkrafttreten des Gesetzes zugestellt wurde, kann dieser grundsätzlich binnen vier Wochen ab Zustellung Einspruch dagegen erheben. Nun wird durch das 2.COVID-19-Gesetzespake die Einspruchsfrist unterbrochen. Das bedeutet, der Schuldner hat ab dem 1. Mai 2020 Zeit, einen Einspruch zu erheben, und die Frist endet daher mit 29. Mai 2020.
- Derzeit ist davon auszugehen, dass eine Beantragung eines Zahlungsbefels (eine Klage auf Geldleistung) möglich ist, und die Gerichte diese auch geschäftsordnungsgemäß behandeln. Der Zahlungsbefehl wird daher (aus derzeitiger Sicht) erlassen, und dem Schuldner auch zugestellt, sofern eine Zustellung möglich ist. Dies geschieht in Österreich per Post (und nicht durch einen Gerichtsvollzieher).
- Verhandlungen sind abberaumt, und in strittigen Verfahren kommt es dadurch zu Verzögerungen.
- Die Frist, gegen eine Exekutionsbewilligung ein Rechtsmittel zu erheben, wird ebenfalls unterbrochen und endet am 15.05.2020; dennoch ist mit Zustellung der Exekutionsbewilligung bei der Gehalts- und Kontopfändung ein Zahlungsverbot bewirkt. Der Arbeitgeber darf ein Gehalt über der Pfändungsfreigrenze nicht an den Schuldner (=Dienstnehmer/in) ausbezahlen. Die Bank darf den Schuldner nicht mehr über sein Kontoguthaben verfügen lassen.
Wir beraten Sie gerne bei der Betreibung Ihrer Forderungen, und unterstützen Sie, wenn Sie sich gegen ungerechtfertigte Forderungen wehren müssen.
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